Professor Heiner Monheim spricht bei der Vortragsveranstaltung der Scientists for future in der Friedrich-Ebert-Anlage
Bildrechte: Ekkehard Mantel, www.ekkehardmantel.de
Rund 25.000 Klimaaktivist*innen demonstrierten am 14.-15. September in Frankfurt für eine radikale Verkehrswende. Gegenüber dem Haupteingang der Messe wurde die Friedrich-Ebert-Anlage für zwei Tage zum Uni-Campus: Expert*innen und Wissenschaftler*innen von Science for Future sprachen über klimagerechte Verkehrskonzepte und diskutierten mit den Anwesenden. Zum Abschluss der IAA blockierten um die tausend Aktivist*innen mehrere Eingänge der Automobilmesse.
Die Banner und Slogans der Klimaaktivist*innen, die sich am Samstag an der Hauptwache versammeln, sind so vielfältig wie die mitgeführten Objekte. Vom handgemalten Schild bis zum riesigen Ballonauto ist alles dabei. Aktivist*innen verschiedener Organisationen, die das Bündnis #aussteigen unterstützen, stehen in Gruppen zusammen. E-Mobility-Befürworter Anton Hofreiter lässt sich kurz auf der Hauptwache blicken, um vor der Demokulisse ein Interview zu geben und für ein Foto hinter dem Banner der Naturfreunde Hessen zu posieren. Direkt daneben stellt das Plakat eines Demonstranten klar: „Wer 48 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor durch 48 Millionen Autos mit Elektro- und Wasserstoffmotor ersetzen will, der hat nix kapiert.“ „Das Auto ist im 21. Jahrhundert ein vollkommen absurdes Verkehrsmittel“, erklärt auch Simon Umbach, Landesleiter der Naturfreundejugend Hessen auf der Bühne „Der private PKW hat ausgedient.“ Nach dem Promo-Kurz-Auftritt Hofreiters ist von den „Grünen“ das restliche Demowochenende nichts mehr zu sehen; anders die Linke, die sich mit vielen Teilnehmern an der Demonstration und den Begleitveranstaltungen beteiligt.
„Uni-Campus“ in der Friedrich-Ebert-Anlage: Fröhliche Festivalstimmung
Für einen Moment der unfreiwilligen Komik sorgt ein Werbeplakat der Automobilausstellung: „IAA 2019: Innovationen? Da. Experten? Da …“ Stimmt alles, aber draußen vor der Messe. Genauer, in der Friedrich-Ebert-Anlage gegenüber dem Haupteingang. Dort haben die Klimaaktivist*innen Infostände und Rednerbühnen aufgebaut, Wissenschaftler*innen der Scientists for Future halten Vorträge. Etwa über die von den Autokonzernen schöngerechneten Verbrauchswerte, die in Wirklichkeit einem „realen Verbrauch wie in den 1980ern“ entsprächen. Oder über die Angst vor den Forderungen der Klimaaktivist*innen, die den Hype der Dieseltechnologie befeuerte. Jetzt ist es die E-Mobility, die ein antiquiertes Verkehrskonzept retten soll.
Es herrscht fröhliche Festivalstimmung. Alle Altersgruppen sind vertreten, ganze Familien sind zur Demo gekommen und schlendern zwischen Info- und Essensständen herum oder beteiligen sich an der Diskussion mit den Wissenschaftler*innen. Ein Aktivist verteilt am Straßenrand Äpfel an die eintreffenden Teilnehmenden der Raddemonstrationen, die zum Teil schon am frühen Morgen aufgebrochen sind.
Der Familienfest-Atmosphäre entspricht auch die soziale Disziplin der Demonstrierenden, die der Aufforderung der Veranstalter*innen, die Grünanlage nach der Veranstaltung sauber zu hinterlassen ebenso bereitwillig folgen wie der Bitte, sich nicht provozieren zu lassen. Diese Haltung demonstriert auch ein kurzer Moment am Sonntag: Während die Teilnehmer*innen der Fahrraddemonstration vor dem Haupteingang der Messe einem herannahenden Rettungsfahrzeug umgehend eine Gasse freimachen, müssen mehrere dahinter fahrende PKWs erst von der Polizei gedrängt werden, ihr Fahrzeug zur Seite zu lenken.
Erfolgreich haben die Demonstrierenden alles vermieden, was Anlass zu einer berechtigten Klage geben könnte. Auch die im Vorfeld durch die Blockaden von „Sand im Getriebe“ am Sonntag befürchteten Auseinandersetzungen sind ausgeblieben. In Ermangelung von Angriffspunkten tut sich die Gegenseite entsprechend schwer mit der Kritik an den Klimaschützer*innen. Es habe einige IAA-Gäste gegeben, die sich über die durch die Blockade erzwungenen Umwege beklagt hätten, heißt es. Einige fühlen sich halt immer gestört – mal durch Demonstrierende, mal durch Feuerwehrleute, die blöd im Weg stehen. Aber wo ist da der Informationswert?
Frankfurt feiert schon mal Abschied von der IAA
Bereits im Vorfeld mehrten sich die Anzeichen, das dies wohl die letzte IAA sein könne. Zahlreiche bekannte Automobilhersteller waren der Messe fern geblieben, andere Großveranstaltungen haben der IAA längst den Rang abgelaufen. Nach außen gibt sich die deutsche Automobilindustrie unbeeindruckt und zeigt ihre Hybris unter anderem darin, dem Oberbürgermeister der Gastgeberstadt sicherheitshalber den Mund zu verbieten, bevor er etwas kritisches sagen könnte. Ob sich die IAA damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich. Frankfurt hat schon mal fröhlich Abschied gefeiert.