Aus der Zeit gefallen: Eskapistische Bildwelten
Bildrechte: Sandra Pappe, www.sandrapappe.de
Die Frankfurter Buchmesse setzte 2019 den Fokus auf die Klimakatastrophe. Das Thema stieß beim Publikum auf großes Interesse, selten waren die Podien des „Weltempfang“-Areals so umlagert. Die Tische des Cafés mussten am Wochenende ohne Stühle auskommen, die Besucher*innen standen bis in den Gang. Während einige Verlage die Chance nutzten, Publikationen zum Leitthema wie das von Lars Müller Publishers herausgegebene Büchlein „Our world to change“ zu präsentieren, war ausgerechnet bei den Architekturverlagen wenig zu finden.
Um so erstaunlicher, da Architekt*innen in vielen Regionen bereits direkt mit den Auswirkungen der Klimakatastrophe konfrontiert sind. Überschwemmungen, steigende Wasserspiegel und Landverlust an den Küsten, überhitzte Städte oder die Zunahme von Stürmen und Unwettern sind nur einige der Problemstellungen, die dringend bewältigt werden müssen. Angesichts des knappen bis nicht mehr vorhandenen Zeitfensters mutet die vorherrschende Zurschaustellung von Kaffeetisch-Büchern mit schicken Interieurs und repräsentativen Großbauprojekten geradezu zynisch an.
„Wir hatten auch schon Bücher zur Nachhaltigkeit“
Die Mitarbeiterin eines Verlags, den ich eigentlich für seine qualitativ hochwertigen Bücher schätze, reagiert irritiert auf meine Anfrage nach einer Publikation, die Architektur und Anthropozän in Zusammenhang stellt. Dazu müsse erst noch geforscht werden. Mein Hinweis auf schon seit Jahrzehnten vorliegende wissenschaftliche Studien und Prognosen, die sich mittlerweile bestätigt haben, ruft prompt den Begriff der „Nachhaltigkeit“ auf den Plan. Dazu gäbe es doch schon seit längerem Bücher, allerdings aktuell keines am Stand.
Die dadurch bestätigte Wahrnehmung der Klimakatastrophe als Rand- bzw. Modethema spiegelt sich auch in der Verwendung der Begrifflichkeit: Unter Klimaaktivist*innen ist der durch eine Politik der faulen Kompromisse oder gar reines Greenwashing entwertete Terminus „Nachhaltigkeit“ mittlerweile eher negativ besetzt. In der Architektenszene hält er sich so hartnäckig wie die Vorstellung, gegen die Übermacht der Wirtschaft nichts ausrichten zu können und deshalb innerhalb ihrer Parameter arbeiten zu müssen.
Lesetipp: „Our world to change!“
Einige wenige Architektur- und Kunstbuchverlage haben es aber doch geschafft, Publikationen zum Leitthema der Buchmesse einzupacken. So entdecke ich am Stand des Schweizer Verlags Lars Müller Publishing das leider nur in englisch und französisch erhältliche Büchlein „Our world to change!“, das in anschaulichen Infografiken Hintergrundwissen zur Entstehung und zu Lösungsansätzen der Klimakatastrophe vermittelt. Abseits der Messe findet man progressivere Publikationen unter anderem bei Fachmagazinen wie arch+ oder sub\urban.
Lars Müller Publishings „Our world to change!“