„Wer sich das leisten kann, kann sich auch Gärtner leisten“
Bildrechte: Sandra Pappe, www.sandrapappe.de
Der alljährlich in der Frankfurter Paulskirche verliehene Internationale Hochhauspreis zeichnet die innovativsten Neubauten einer von jeher kontrovers diskutierten Bauform aus. In diesem Jahr konnte man der Veranstaltung im Homeoffice beiwohnen. Zum Glück, denn die digitale Aufzeichnung erlaubte es, auf die Architektenvorträge vorzuspulen. Eskapismus und ein reaktionäres Weltbild machten die Anmoderation mit Herr Cachola Schmal und Frau Hartwig zur Qual.
Es dauert nicht lange, bis die Podiumsveranstaltung mit Herr Schmal, dem Direktor des deutschen Architekturmuseums DAM und der Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig in einen Austausch elitärer Phrasen abgleitet. Der Hinweis auf den Bangemacher „globale Bevölkerungsexplosion“ kann wohl einfach nicht fehlen, wenn es darum geht, den Neubau von Wohnhochhäusern zu legitimieren. Auch dann, wenn sich das in diesem Zusammenhang aufgeführte Beispiel in Schweden befindet – einem Land, das ebenso wie Deutschland seit Jahrzehnten keinen nennenswerten Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen hat. Nicht der erste Bruch in Herr Schmals Logik, der unwidersprochen im Raum stehen bleibt.
Kaum werden Wohnhochhäuser als Mittel zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums gelobt, stellt Herr Schmal seine eigene These gleich wieder in Frage. Wer sich hier – dieses Mal in einem mit Fassadengärten bestückten Wohnhochhaus in Singapur – eine Wohnung leisten könne, könne sich auch einen Gärtner leisten, haha, kommentiert er in launigem Plauderton. Frau Dr. Hartwig lacht artig mit, gut betuchte Elite unter sich. Besonders gefallen Herr Schmal – oder war das Frau Hartwig? Egal – die Größe der Apartments, die sich über die ganze Etage erstrecken. Also eine Fläche, in die gleich drei Wohnungen für Normalverdiener passen würden. Ein größerer Kontrast zur Tiny-House-Bewegung, die in Deutschland immer mehr Anhänger findet, lässt sich kaum vorstellen.
Aber warum an die Gegenwart denken, wenn man sich endlich einmal dem Schöngeistigen widmen kann? Das euphorische Dauergrinsen der erklärten Hochhausfreundin Frau Dr. Hartwig verrät die Erleichterung, sich endlich einmal befreit von aktuellen Problemstellungen wie Klimakatastrophe, sozialer Ungerechtigkeit oder Pandemie den rein künstlerisch-technischen Aspekten ihres Lieblingsthemas widmen zu können. Da wird es auch widerspruchslos hingenommen, wenn das Fassadengrün des Singapur Hochhauses zum ökologischen Beitrag verklärt wird.
So stellt sich der urbane Hobbygärtner biologische Diversität eben vor: Die aus ihrem natürlichen Habitat verdrängte Fauna strebt als Ersatzgrün an der Fassade empor. Das lustige Äffchen, da, vor meiner Fensterscheibe! Wie süß! Und hier das niedliche Schuppentier! Nein, das schafft es mit seinen kurzen Beinchen wohl eher nicht in den 12. Stock. Aber wer will schon einen echten Dschungel vor der Balkontür, am Ende mit Schlangen, Waranen oder Krokodilen. Es soll ja nur nach Dschungel aussehen und einen schicken Hintergrund zum weißen Ledersofa bieten.
Langweilige Fragen nach Bewässerung und Energie für den Erhalt des Fassadengrüns stellen sich erst gar nicht. Das können sich die Bewohner ja leisten, wie Herr Schmal schon erklärt hat. So wird dann nach dem Bezahlbaren Wohnen auch der Klimaschutz zur Worthülse degradiert.
Gewonnen hat übrigens ein Hochhaus aus Schweden. Aber das wird zur Nebensache, wenn eine unseriöse Anmoderation auch die Ausgezeichneten in ein schlechtes Licht rückt. Zu Unrecht? Kann ich leider nicht beurteilen. Eine differenzierte, fachliche Auseinandersetzung mit den gekürten Projekten ging im Phrasengewitter unter.